Unter dem Motto „Neustart Krankenhauspolitik – Mut zur Veränderung für neue Wege in der Pflege“ fand am 19. November der Tag der Pflege beim 48. Deutsche Krankenhaustag (DKT) statt, organisiert vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), der Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland e. V. (ADS) und der Pflegekammer NRW. Er bot spannende Einblicke und zukunftsweisende Diskussionen für neue Wege der Pflege im Gesundheitssystem.
Dr. Sabine Berninger, Vorstandsvorsitzende des DBfK Südost, und Jens Albrecht, Vizepräsident der Pflegekammer NRW, eröffneten den Tag der Pflege in Düsseldorf. Beide stellten klar: Eine zukunftsfähige Versorgung gelingt nur, wenn sie sektorenübergreifend gedacht wird.

Pflege beginnt nicht erst im Krankenhaus – und endet dort auch nicht. Entsprechend betonten sie die zentrale Rolle der Pflegefachpersonen für Versorgungsqualität und Patient:innensicherheit. Für eine nachhaltige Krankenhausreform müsse Pflege daher konsequent mitgedacht werden.
Neustart im Gesundheitssystem: Wer übernimmt Verantwortung?
Als Einstieg zeigte Leah Dörr (Vorstandsmitglied Pflegekammer NRW, Advanced Practice Nurse) anhand eines konkreten Fallbeispiels aus dem Wundmanagement, wie sie als Advanced Practice Nurse arbeitet und welche Expertise sie in komplexen Versorgungssituationen einbringt. Sie machte deutlich, dass sie kein Mini-Doc sei, sondern eine Big Nurse mit einem eigenständigen, erweiterten pflegefachlichen Profil und hoher Verantwortung. Anhand der sogenannten Nursing Journey veranschaulichte sie, wie Patient:innen sich durch verschiedene Versorgungssettings bewegen und dort oftmals nicht mit Kontinuität versorgt werden. Immer wieder komme es zu Brüchen in der Versorgung, die vor allem aus unklaren Zuständigkeiten und fehlenden Schnittstellen resultieren.
Darauf aufbauend analysierte Eduard Klukas (Universität Bielefeld, wiss. Mitarbeiter) die systemischen Hindernisse, die eine durchgehende pflegerische Versorgung erschweren. Er zeigte auf, wie starre Zuständigkeitsgrenzen und ein stark medizinzentriertes System verhindern, dass pflegerische Expertise vollständig zum Einsatz kommt. Aus seiner Sicht könnten erweiterte Kompetenzen und Heilkundeübertragungen für Pflegefachpersonen, kombiniert mit flexibleren Finanzierungsmodellen, die Versorgungsbrüche reduzieren und Versorgungsqualität erhöhen. Gleichzeitig kritisierte er die bestehende Systemlogik, die häufig eher Strukturen als tatsächliche Versorgungsbedarfe in den Mittelpunkt stellt.

In der Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass das Gesundheitssystem vor strukturellen Herausforderungen steht: knappe Ressourcen, steigender Pflegebedarf und hohe Erwartungen an Versorgungsqualität. Barbara Steffens (Techniker Krankenkasse NRW) hob hervor, dass Effizienzgewinne und eine kluge Neuverteilung von Aufgaben unverzichtbar seien. Der Blick in internationale Systeme zeige, dass mutige Reformen und eine erweiterte Rollenverteilung in der Pflege wirksam sein können.
Dr. Dr. Peter-Johann May (Krankenhausgesellschaft NRW) betonte die Bedeutung
einer klaren Aufgabenabgrenzung und regelmäßigen Überprüfung, wer
Leistungen am besten erbringen kann. Das neue Gesetz zur
Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege eröffnet aus
seiner Sicht Chancen – entscheidend sei jedoch eine konsequente
Umsetzung und die rechtliche Absicherung erfolgreicher bestehender
Praxislösungen.
Ingo Böing, Referent im DBfK Bundesverband, erläuterte die aktuellen Gesetzgebungsverfahren und zeigte, wo weiterer Handlungsbedarf besteht. Mit dem Pflegefachassistenzgesetz sowie dem Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP, ehemals Pflegekompetenzgesetz) wurden wichtige Schritte hin zu mehr Kompetenzen und Verantwortung in der Pflege getan. Sie eröffnen neue Handlungsspielräume in Prävention, Beratung und ausgewählten medizinisch-pflegerischen Aufgaben. Entscheidend wird sein, die neuen Befugnisse in der Praxis tatsächlich umzusetzen und die rechtlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das notwendige APN-Gesetz fehlt weiterhin und muss dringend auf den Weg gebracht werden.
Die Relevanz und Macht der Vorbehaltsaufgaben in der Pflege wurden von Prof. Dr. Frank Weidner (Universität Koblenz - Pflegewissenschaft) dargestellt. Seit 2020 definiert das Pflegeberufegesetz erstmals bestimmte Tätigkeiten, die ausschließlich von Pflegefachpersonen ausgeführt werden dürfen. Er betonte, dass damit eine „rote Linie“ gezogen wurde: Pflege darf nur von denen ausgeübt werden, die die entsprechende Ausbildung haben – „Pflege darf nur, wer Pflege kann“, so Weidner. Die Vorbehaltsaufgaben sind als Chance zur Professionalisierung und Aufwertung des Pflegeberufs zu betrachten: Sie schaffen Rechtssicherheit, definieren klar Verantwortlichkeiten und stärken die Pflegequalität. Trotzdem ist nicht zu verschweigen, wie komplex das Thema ist.


Die Arbeit einer Community Health Nurse und wie diese neue Rolle die Versorgung stärken kann, wurde von Elena Zarges (Dorf Gesund - Community Health Nursing auf dem Land) vorgestellt. Community Health Nurses können eine zentrale Innovation im deutschen Gesundheitssystem sein, was in vielen anderen Ländern gut sichtbar ist. Sie sieht in ihnen eine Brücke zu einer wohnortnahen, präventiven und ganzheitlichen Versorgung – besonders in ländlichen Regionen. Zudem können sie die sektorenübergreifende Versorgung stärken und Versorgungsbrüche vermeiden, indem sie entlang der Nursing Journey die Patient:innen durch das Gesundheitssystem leiten.
Mut zum Neustart: Sektorenübergreifende Versorgung 2035
In der abschließenden Podiumsdiskussion mit Heike Hoffer
(Bundesgesundheitsministerium), Jens Albrecht (Pflegekammer NRW), Lina
Gürtler (Vorstandmitglied DBfK), Ulrike Döring (Arbeitsgemeinschaft
christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland
e.V. ADS) sowie Thomas Meißner (Anbieterverband qualitätsorientierter
Gesundheitspflegeeinrichtungen) wurden die Vision einer
sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung 2035 gezeichnet und die
vielen Herausforderungen skizziert, die bis dahin noch bewältigt werden
müssen. Neben der noch fehlenden APN-Gesetzgebung, die von Heike Hoffer
aber angekündigt wurde, spielen auch Fragen der Finanzierung, der
Digitalisierung und der Attraktivität des Pflegeberufes eine Rolle.
Die Vorträge und Aufzeichnungen sind in Kürze auf der Internetseite des Deutschen Krankenhaustags verfügbar.