Mit dem Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (BEEP), vormals Pflegekompetenzgesetz, setzt der Gesetzgeber wesentliche Veränderungen im Pflege- und Gesundheitswesen um. Der DBfK hat den Prozess in den vergangenen Jahren intensiv begleitet und die Interessen der Profession eingebracht.
Im Folgenden stellen wir die für den DBfK besonders relevanten Themenfelder dar – und wie wir die Neuerungen bewerten:
1. Heilkundeausübung
Das BEEP enthält weitreichende Regelungen, die Pflegefachpersonen erstmals umfassend die eigenverantwortliche Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten ermöglichen. Kern ist der neue § 15a SGB V („Behandlung durch Pflegefachpersonen“), der es Pflegefachpersonen erlaubt, bestimmte bislang ärztliche Leistungen eigenverantwortlich und auf Basis einer pflegerischen Diagnosestellung zu erbringen. Damit wird der Arztvorbehalt an mehreren Stellen gelockert – ein wichtiger Schritt hin zu einem pflegerischen Leistungsrecht. Der DBfK bewertet diese Entwicklung grundsätzlich positiv. Die Stärkung pflegefachlicher Kompetenzen ist überfällig. Entscheidend wird jedoch sein, dass das künftig folgende Leistungsrecht die neuen Befugnisse fachlich klar definiert und in der Praxis tragfähig ausgestaltet. Das Gesetz enthält hierzu mehrere zentrale Bausteine:
2. Empfehlung von Pflegehilfsmitteln
Mit dem BEEP wird gesetzlich verankert, dass Pflegefachpersonen Pflegehilfsmittel empfehlen und – je nach Ausgestaltung der Richtlinien – künftig auch verordnen können. Dies betrifft sowohl die neu zu erarbeitenden Richtlinien des GKV-Spitzenverbands als auch Empfehlungen im Rahmen der Beratungseinsätze. Der DBfK begrüßt diesen Schritt als wichtigen Beitrag zur Entbürokratisierung und zur Stärkung pflegefachlicher Expertise. Entscheidend wird sein, dass die Richtlinien praxisnah ausgestaltet werden und die Berufsverbände der Pflege verbindlich einbezogen sind. Nur so kann gewährleistet werden, dass die neuen Befugnisse die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln tatsächlich verbessern.
3. Pflegebegutachtung durch Pflegefachpersonen
Das BEEP ermöglicht Modellvorhaben, in denen Pflegefachpersonen eigenständig Pflegebegutachtungen durchführen und Pflegegrade feststellen. Aus Sicht des DBfK ist dies fachlich konsequent: Die Feststellung von Pflegebedarf ist bereits heute eine Vorbehaltsaufgabe der Pflegefachpersonen nach dem Pflegeberufegesetz. Positiv ist daher, dass der Gesetzgeber diese Kompetenz stärken will. Kritisch bleibt jedoch, dass der Medizinische Dienst selbst die Modellvorhaben beauftragt – obwohl seine eigene Tätigkeit davon unmittelbar betroffen sein könnte. Der DBfK sieht hier deutliche Interessenskonflikte und fordert unabhängige Strukturen für Durchführung und Evaluation.
4. Pflegerische Prävention
Mit dem BEEP wird auch die Rolle der Pflege in der Prävention erweitert. Pflegefachpersonen können künftig eigenständig Präventionsempfehlungen aussprechen – sowohl im SGB XI als auch im Rahmen der Primärprävention nach § 20 SGB V. Der DBfK begrüßt diese gesetzliche Stärkung pflegerischer Prävention ausdrücklich. Kritisch bleibt jedoch, dass weiterhin auch Berufsgruppen ohne pflegefachliche Qualifikation – etwa Sozialversicherungsfachangestellte oder Sozialarbeiter:innen – Pflegeberatung durchführen und dabei ebenfalls Präventionsempfehlungen aussprechen dürfen. Aus Sicht des DBfK wird damit die notwendige pflegefachliche Expertise nicht konsequent gesichert.
5. Geschäftsstelle zur Personal- und Organisationsentwicklung in Pflegeeinrichtungen
Der neue § 113d SGB XI sieht eine Geschäftsstelle vor, die Pflegefachpersonen und Einrichtungen in zentralen Entwicklungsbereichen unterstützt – darunter Pflegeprozessverantwortung, Pflegedokumentation, Personal- und Organisationsentwicklung, Führungs- und Delegationskonzepte sowie personzentrierte Pflege. Ebenfalls eingeschlossen ist die Unterstützung beim Personalbemessungsverfahren in der Pflege (PeBeM). Der DBfK bewertet die Einrichtung dieser Geschäftsstelle als wichtigen Schritt zur weiteren Professionalisierung und Qualitätsentwicklung in der Langzeitpflege. Kritisch bleiben jedoch zwei Punkte:
Ein APN-Gesetz fehlt weiterhin
Deutlich wird im Gesetzgebungsprozess auch, dass ein entscheidender Baustein fehlt: ein eigenes Gesetz zur Einführung von Advanced Practice Nurses (APN). Während viele Länder längst auf hochqualifizierte pflegefachliche Expert:innen setzen, die komplexe Versorgungssituationen eigenverantwortlich steuern, fehlt in Deutschland weiterhin ein verbindlicher rechtlicher Rahmen. Ohne ein APN-Gesetz bleiben zentrale Entwicklungspotenziale der Pflege ungenutzt – auch im internationalen Vergleich.
Zusammenfassung
Das BEEP-Gesetz schafft wichtige Grundlagen für eine stärkere pflegerische Verantwortung – insbesondere in der Heilkundeausübung, der Prävention und der eigenständigen Leistungserbringung. Der DBfK begrüßt diese Entwicklungen ausdrücklich. Gleichzeitig ist klar: Entscheidend wird die Umsetzung sein. Die neuen Befugnisse müssen mit klaren Strukturen, verlässlichen Qualifikationswegen und einer starken Einbindung der Berufsverbände hinterlegt werden. Ohne ein APN-Gesetz und ohne den konsequenten Ausbau pflegerischer Kompetenzen und Strukturen wird es kaum gelingen, das Versorgungssystem zukunftsfest auszurichten. Für den DBfK ist damit klar: Die gesetzliche Grundlage ist gelegt – jetzt beginnt die eigentliche Arbeit.
Nur wenn die Profession die Umsetzung aktiv begleitet, Missstände benennt und sich in allen relevanten Gremien und Verfahren einbringt, lässt sich verhindern, dass das Gesetz ein Papiertiger bleibt. Genau hier wird der DBfK auch weiterhin Verantwortung übernehmen und die Entwicklung konsequent mitgestalten.
Aktuell bleibt noch festzuhalten, dass das Gesetzgebungsverfahren zum BEEP Ende November in den Vermittlungsausschuss überwiesen wurde. Ausschlaggebend dafür waren jedoch nicht die vorgesehenen Befugniserweiterungen für Pflegefachpersonen. Der strittige Punkt war ein im Gesetz verankertes Sparpaket, das Einsparungen von rund 1,8 Milliarden Euro bei den Krankenhausvergütungen vorsah und von den Ländern deshalb abgelehnt wurde. Die pflegefachlichen Regelungen selbst wurden im Bundesrat nicht beanstandet. Damit bleibt klar: Die inhaltlichen Fortschritte zur Stärkung der Pflege standen nicht zur Diskussion – das Verfahren wurde aus anderen Gründen gestoppt.