DBfK aktuell - Oktober 2025

Christiane-Lehmacher-Dubberke-2025
Christiane-Lehmacher-Dubberke-2025

Christiane Lehmacher-Dubberke
Geschäftsführer DBfK Südost

In China kommt Pflege vor der Medizin

Liebe Mitglieder, 

als ich angefragt wurde, einen Vortrag zum Thema „Pandemie- und Katastrophenmanagement in der Langzeitpflege“ auf einem internationalen Kongress in China zu halten, habe ich mich gefreut. Aber ich war ein auch bisschen unschlüssig, was mich da erwarten würde. Die Neugier hat gesiegt – und so hatte ich im August die Möglichkeit mir im Nordwesten Chinas das Gesundheitssystem genauer anzuschauen und zu lernen und zu erleben, wie die Ausbildung der Pflegeprofession aufgebaut ist und welche Stellung die „Nurse“ in China hat. 

Zunächst einmal die Fakten: In China leben 1,4 Milliarden Menschen, eine Kleinstadt dort hat mehrere Millionen Einwohner:innen. In Lanzhou, einer eher kleineren Stadt mit ca. 3,4 Millionen Einwohner:innen, gibt es beispielsweise zwei Hospitäler mit jeweils ca. 2.700 Betten. Ein Arztpraxis-System, wie wir es kennen, gibt es nicht – sondern Polykliniken. Diese sind Teil der Hospitäler. Westliche Medizin und die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) werden gemeinsam angewendet. Es gibt eine Krankenversicherung, in der alle Chines:innen versichert sind. Je nach Versicherungsstatus werden alle oder ein Teil der Leistungen übernommen. Den Rest tragen Patient:innen bzw. Angehörige. Ist das nicht möglich, zahlt die Kommune die Kosten. 

Ein wesentlicher kultureller Unterschied zu Deutschland liegt im familiären Fürsorgesystem. Beispielsweise ist bei einem Krankenhausaufenthalt immer eine Verwandte oder ein Verwandter 24 Stunden vor Ort. Auch weit entfernte Verwandte sind Teil dieses Systems. Diese übernehmen z.B. die Körperpflege und unterstützen in allem, was erforderlich ist oder erfüllen die Wünsche der Patient:innen. Nur wenn das nicht machbar ist, übernehmen geschulte Pflegehilfskräfte gegen Entgelt diese Betreuung. 

Vor ca. 20 Jahren hat China die Ausbildung reformiert und neben der beruflichen Ausbildung die Möglichkeit eines akademischen Abschlusses geschaffen. Heute haben ca. 80 Prozent der chinesischen Pflegefachpersonen einen akademischen Abschluss: Bachelor, Master, und in leitenden Positionen sind sie nicht selten promoviert. Wie bei uns ist der Frauenanteil gegenüber männlichen Pflegefachpersonen deutlich höher. Der Pflegeberuf in China hat in den letzten Jahren der Medizin ein bisschen den Rang abgelaufen. Für uns kaum vorstellbar, aber es ist tatsächlich attraktiver, Pflege zu studieren als Medizin. 

Ich habe mit vielen Pflegefachpersonen gesprochen, und sie alle haben berichtet, dass sich die Zusammenarbeit mit den Ärzt:innen in den letzten beiden Jahrzehnten durch die Akademisierung sehr verändert hat. Man arbeitet als Team auf Augenhöhe. Das war spürbar, und überall, wo ich hinkam, wurde mir der „Medical Staff“ vorgestellt – selbstverständlich als interdisziplinäres Team und nicht getrennt nach Professionen. Begeistert hat mich die Freude und die Motivation aller Pflegepersonen, aber auch die der Ärzt:innen. Mit großem Engagement wird gemeinsam im Team nach Lösungen gesucht und Verbesserungen der Versorgung entwickelt. So gab es z.B. auf der Thoraxchirurgie eine „Karaoke-Box“. Die Idee dazu kam aus der Pflege: Die Kolleg:innen haben die Leidenschaft der Patient:innen – nämlich Karaoke-Singen – mit dem notwendigen postoperativen Atemtraining verbunden. So kann es gehen. 

Ich konnte in meiner Woche in China eine hervorragende Organisation der Hospitäler sehen, einen großen Schwerpunkt in der Patient:innenedukation und Prävention sowie die Wirkung von gezielter Entwicklung von Gesundheitskompetenz in der Kommune. Moderne Medizin und moderne Pflege prägen die Versorgung in den Hospitälern, und es gibt weitere interessante Arbeitsfelder der Pflege, wie z.B. das TCM Nursing, sinnvoll prozessunterstützend eingesetzte Digitalisierung und Robotik. Und ich konnte erleben, wie Praxis und Lehre durch die direkte Anbindung der Universitäten an die Kliniken gelingen kann. Dann ist es selbstverständlich, dass Pflege und Medizin teilweise gemeinsame Vorlesungen besuchen. 

China steht in den kommenden Jahren vor ähnlichen Herausforderungen wie Deutschland. Die frühere Ein-Kind-Politik wird das familiäre System schrumpfen lassen. Aktuell laufen Diskussionen, wie sich das Problem lösen lässt. Eine Option ist die Versorgung durch Pflegehilfspersonen als permanente Unterstützung der Patient:innen und Teil des Stationsteams, so dass die heutigen familiären Leistungen weitgehend übernommen werden können. Ich bin gespannt, wie sich die Pflege in China weiterentwickeln wird. Es wird nicht mein letzter Besuch gewesen sein, beim nächsten Mal werde ich die Langzeitpflege in den Fokus nehmen.

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