Seit 2014 gibt es in Deutschland die gesetzlich geregelte Möglichkeit für Schwangere in Notlagen, ihr Kind sicher und medizinisch betreut zur Welt zu bringen, ohne ihre Identität preiszugeben: die vertrauliche Geburt.
Beruflich Pflegende sind für die Frauen oft erste Ansprechpersonen: bei Vorsorgeuntersuchungen, in der Notaufnahme oder auf der Geburtsstation.
Sie leisten nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch emotionale Unterstützung und sind wichtige Bindeglieder zwischen der Schwangeren, der Beratungsstelle und dem ärztlichen Team. Pflegefachpersonen tragen bei dem sensiblen Prozess der vertraulichen Geburt eine besondere Verantwortung für den Schutz der Anonymität und die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen. Ihre Sensibilität und ihr Wissen um die Abläufe sind entscheidend, um Frauen in einer extremen Notlage sicher, respektvoll und professionell zu begleiten. Wir informieren in diesem Beitrag darüber, was beruflich Pflegende wissen und beachten sollten.
Gründe für eine vertrauliche Geburt
Die vertrauliche Geburt richtet sich an Frauen, die ihre Schwangerschaft verheimlichen oder verdrängen – oft aus Angst vor Gewalt, sozialer Ausgrenzung oder Stigmatisierung. Hinter jeder vertraulichen Geburt steht eine Frau in einer Ausnahmesituation. Viele Betroffene sind psychisch und emotional stark belastet, manche leiden unter Depressionen, Angstzuständen oder Suizidgedanken. Umso wichtiger ist eine einfühlsame medizinische und psychosoziale Begleitung – vor, während und nach der Geburt. Jedes Jahr werden auf diesem Weg rund 100 Kinder geboren. Die vertrauliche Geburt ist eine sichere Alternative zu anonymen Kindesabgaben oder Babyklappen und soll dazu beitragen, Kindstötungen zu verhindern. Sie schützt die Gesundheit von Mutter und Kind und wahrt zugleich das Recht des Kindes, später die eigene Herkunft zu erfahren.
Grundsätzlich kann jede Einrichtung der Geburtshilfe (Krankenhaus, Geburtshaus oder freiberufliche Hebamme) in Zusammenarbeit mit einer Beratungsstelle eine vertrauliche Geburt durchführen. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten die rechtlichen Grundlagen und den Ablauf kennen.
Rechtlicher Rahmen
Die vertrauliche Geburt ist im Schwangerschaftskonfliktgesetz (§§ 25 ff. SchKG) geregelt. Ziel ist es, die Anonymität der Mutter zu wahren und gleichzeitig die medizinische Versorgung sowie die Rechte des Kindes sicherzustellen. Die Identität der Mutter bleibt für 16 Jahre geschützt. Erst danach kann das Kind, sofern es dies wünscht, seine Herkunft erfahren.
Zentrale Rolle: die Beratungsstellen
Eine vertrauliche Geburt wird immer von einer Schwangerschaftsberatungsstelle begleitet. Ärzt:innen, Hebammen und Pflegefachpersonen dürfen selbst keine Beratung zur vertraulichen Geburt durchführen, sollten aber wissen, wie sie den Kontakt herstellen. Eine Möglichkeit stellt das Hilfetelefon „Schwangere in Not“ dar, das Schwangere, aber auch Fachpersonen bundesweit an entsprechend qualifizierte Schwangerschaftskonflikt- und Schwangerschaftsberatungsstellen vermittelt. In der Beratung werden zunächst alle Möglichkeiten für ein Leben mit dem Kind besprochen. Wenn die aufgezeigten Problemlösungs- und Handlungsoptionen nicht greifen, informiert die Beraterin über die vertrauliche Geburt, den Ablauf, die rechtlichen Folgen und ein mögliches Adoptionsverfahren. Entscheidet sich die Frau für diesen Weg, wählt sie ein Pseudonym, das in allen Unterlagen verwendet wird. Nur die Ansprechperson in der Beratungsstelle kennt ihre wahre Identität. Sie meldet die Schwangere unter dem Pseudonym bei der gewünschten geburtshilflichen Einrichtung an, informiert das Jugendamt und erstellt einen Herkunftsnachweis, der nach der Geburt verschlossen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) hinterlegt wird.
Kostenübernahme
Alle Kosten für medizinische Leistungen rund um die vertrauliche Geburt einschließlich der Vor- und Nachsorge werden vom Bund übernommen, unabhängig vom Versicherungsstatus der Schwangeren. Die Abrechnung erfolgt nach der Geburt über das BAFzA. Voraussetzung ist, dass der Herkunftsnachweis ordnungsgemäß erstellt und hinterlegt wurde. Entscheidet sich die Mutter nach der Geburt, das Kind doch zu behalten, trägt die Krankenkasse die Kosten.
Vorsorgeuntersuchungen
Für Pflegefachpersonen ist es entscheidend, die Anonymität der Frau in allen Phasen zu wahren. Das bedeutet: keine Erfassung über die Krankenkassenkarte, Ansprache ausschließlich über das Pseudonym, Ausstellung des Mutterpasses ebenfalls auf diesen Namen. Fehler im Umgang mit diesen sensiblen Daten können gravierende Folgen haben, etwa wenn durch automatisierte Schreiben einer Krankenkasse die Schwangerschaft ungewollt bekannt wird.
Bei und nach der Entbindung
Die Aufnahme der Schwangeren zur Entbindung erfolgt im Krankenhaus oder der geburtshilflichen Einrichtung unter dem gewählten Pseudonym. Auch wenn keine vorherige Anmeldung vorliegt – etwa, weil der Rettungsdienst eine andere Klinik anfahren musste – muss der Ablauf der vertraulichen Geburt eingehalten werden. Die Entscheidung dafür kann auch noch kurz vor oder nach der Entbindung getroffen werden. In diesem Fall ist das medizinische Fachpersonal verpflichtet, die Schwangere medizinisch zu betreuen, ihren Anonymitätswunsch zu wahren und unverzüglich eine Schwangerschaftsberatungsstelle zu kontaktieren. Die Pflicht eines Krankenhauses zur Aufnahme einer Schwangeren unterliegt den gleichen Regeln wie die zur Durchführung jeder anderen stationären Behandlung. Die vertrauliche Geburt wird wie jede andere medizinisch betreut und dokumentiert. Bei Komplikationen gelten die üblichen medizinischen Standards.
Nach der Geburt meldet die Einrichtung den Vorgang beim Standesamt – unter Angabe des Pseudonyms der Mutter – und übermittelt Ort und Datum der Geburt an die Beratungsstelle, um den Herkunftsnachweis zu vervollständigen. Das Jugendamt beantragt beim Familiengericht die Bestellung eines Vormunds. Nach der Geburt ruht die elterliche Sorge der Mutter. Falls sie sich anders entscheidet und das Kind behalten möchte, ist dies grundsätzlich bis zum Adoptionsbeschluss möglich, allerdings durch ein Familiengericht rechtskräftig festzustellen.